Wenn der Glaube nicht mehr trägt

Vom Zusammenbruch alter Gewissheiten – und dem Weitergehen auf der Suche nach dem inneren Kompass. 

Von Geburt an wuchs ich mit einem christlich-konservativen Weltbild auf – einem, das Sicherheit versprach, aber auch Angst kannte. Die Bibel wurde mir als einzig gültige Wahrheit vermittelt. Die vollständige Hingabe an Jesus galt als der einzige Weg zur ewigen Herrlichkeit bei Gott, andernfalls blieb nur die ewige Verdammnis in Finsternis. 

Ich lernte früh, diese Lehrmeinung zu meiner eigenen Überzeugung zu machen und als vorbildliches Kind Gottes zu glänzen. Hoffnung und Ansporn waren für mich das nahende Königreich Gottes, die Wiederkunft Jesu und die Entrückung ins Himmelreich. 

Als junger Erwachsener erhielt ich selbst Verantwortung und begann, Kinder in diesem Glauben zu unterweisen. In dieser Zeit fing ich an, einzelne fundamentalistische Lehrmeinungen zu hinterfragen und einen etwas liberaleren Standpunkt einzunehmen. Immer wieder kamen Zweifel an meiner Heilsgewissheit auf. Doch durch persönliche Gespräche oder einschlägige Literatur ließen sich diese Zweifel immer wieder befrieden. So konnte ich viele weitere Jahre als gereifter und überzeugter Christ unterwegs sein. 

Das Leben nahm seinen Lauf und konfrontierte mich mit dicht aufeinanderfolgenden, extremen Herausforderungen. Sie brachten mich zunehmend an den Rand des Schaffbaren. Gerade in dieser Zeit suchte ich besonders intensiv nach Gottes Hilfe und Trost – doch Gott hüllte sich in Schweigen. 

Am Ende landete ich in Burnout und Depression. Und ich wusste: Mein Glaube und meine bisherigen Überzeugungen brechen gerade unwiederbringlich zusammen. Ich stürzte in einen schwarzen Abgrund – ohne Halt, ohne Licht, ohne Hoffnung. Es fühlte sich an wie der Tod meiner Seele. 

Alles, was meinem Leben bis dahin Sinn, Ziel und Orientierung gegeben hatte, war auf einen Schlag ausgelöscht. 

Es war für mich unvorstellbar, wie mein Leben weitergehen sollte. Ein weiterer „Reset im Glauben“ war ausgeschlossen. Das hatte ich schon unzählige Male versucht – ohne Erfolg, ohne göttliches Eingreifen. 

Das eigentlich Herausfordernde an dieser Situation war jedoch: Obwohl ich das Gefühl hatte, nicht mehr weiterleben zu können, ging das Leben trotzdem weiter. Der Alltag stellte keine Fragen, sondern machte einfach weiter. 

Ich musste bei Null anfangen. Mit einem leeren weißen Blatt Papier. Es wartete darauf, beschrieben zu werden. 

Das Ungewohnte – und zutiefst Beunruhigende – war, dass ich plötzlich selbst in der Verantwortung stand, dieses Blatt zu füllen. Bis dahin hatten Autoritäten des christlichen Glaubens meinem Leben Sinn, Richtung und Deutung gegeben. Doch diese hatten in meinem Inneren auf einmal ausgedient. 

Vielleicht hast du etwas Ähnliches erlebt. 
Vielleicht stehst du auch vor einem leeren Blatt, ohne Gewissheiten, ohne tragenden Glauben. 

Dann könnte es sein, dass wir Weggefährten sind – auf der Suche nach einem inneren Kompass.